Zurückgeblieben Hoa ist schon 13, aber noch so klein wie ein Sechsjähriger. Seine Freunde unterhält er gern mit Faxen. |
Dass der Sprühregen das dioxinhaltige Entlaubungsmittel "Agent Orange" (von den GIs benannt nach den orangefarbenen Markierungen auf den Herbizidfässern) enthielt, dass diese hochgiftige Chemikalie krebserregend ist, Geburtsschäden verursacht und sich in Lebensmitteln festsetzt - all dies konnten Oanhs Eltern nicht wissen. Als die fremden Soldaten 1975 endlich abzogen, ahnten die Eltern nicht, dass das Pestizid in ihre Körper gewandert war, vermutlich über verseuchte Fische und Maniokwurzeln oder das Trinkwasser. Über eine Million Menschen, so die Regierung in Hanoi, erkrankten durch das Dioxin-Bombardement. 44 Millionen Liter "Agent Orange" versprühte die US-Armee zehn Jahre lang, hauptsächlich über Mittel- und Südvietnam, und zerstörte dabei 3,5 Millionen Hektar Wald und Land.
Oanh wuchs in der zentralen Provinz Quang Tri auf; nahe dem 17. Breitengrad. Ein Gebiet, das einst erbittert umkämpft war und in dem die katastrophalen Folgeschäden des chemischen Krieges erst in den letzten Jahren in vollem Umfang offenbar wurden. Untersuchungen des amerikanischen Umweltexperten Arnold Schecter ergaben, dass die Dioxin-Belastung in dieser Region an manchen Stellen über 100 MaI höher ist als etwa im Norden des Landes, wo es keine "Agent Orange"-Abwürfe gab. Vietnamesische Forscher stellten fest, dass in der starkverseuchten Provinz besonders viele Totgeburten zu beklagen sind; 69 von 10000 Babys kommen dort ohne Gehirn auf die Welt - in anderen Landesteilen ist dies im Schnitt nur bei zehn Säuglingen der Fall.
"Meine Eltern sind beide schwer krank, seit ich denken kann", sagt Oanh, "aber am schlimmsten hat es meine ältere Schwester Quy getroffen." Hilflos habe die Familie miterleben müssen, wie die als Krüppel geborene Quy Monat um Monat schwächer wurde, bis sie vor fünf Jahren gestorben sei, unter schrecklichen Qualen.
Nervös verknotet Oanh ihre Finger ineinander, als sie vom Schicksal ihrer Schwester spricht. Oanh weiß, dass mit ihr womöglich das Gleiche passiert wäre, wenn es nicht vor gut einem Jahr eine Wende in ihrem Leben gegeben hätte. Wenn nicht ein Jeep der vietnamesischen Kriegsveteranenvereinigung (VAVN) sie zu Hause in Quang Tri abgeholt und ins 600 Kilometer entfernte "Dorf der Freundschaft" in Van Canh bei Hanoi gebracht hätte.