Das Dorf der Freundschaft ist ein internationales Versöhnungsprojekt. Es wurde durch den ehemaligen US-Soldaten George Mizo initiiert. Es bietet Menschen, die unter den Spätfolgen des Vietnamkrieges leiden – geistig und körperlich behinderten Kindern und Jugendlichen sowie Älteren – Hilfe und Unterstützung.

 

Die Schule im “Dorf” - Lehrerinnen und Kinder auf dem Weg

Ein Bericht von Vivien Heller

(gekürzt und redigiert von Albrecht Ottmar)

Seit fast einem Jahr arbeite ich nun als Beraterin für Sonderpädagogik für den Deutschen Entwicklungsdienst im “Dorf der Freundschaft”. Erst jetzt, wo ich zurückblicke, wird mir bewusst, dass sich die Schule für uns alle - Lehrerinnen und Kinder - schon sehr verändert hat. Einen ersten großen Fortschritt, der uns allen spürbare Erleichterung und mehr Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet hat, brachte die Einstellung von drei frisch examinierten Sonderschullehrerinnen und die Gründung neuer und vor allem kleinerer Klassen. Statt zwischenzeitlich zwei Klassen mit bis zu 25 Kindern und Jugendlichen mit geistiger Behinderung unterrichten wir nun fünf Gruppen, deren Größe es erlaubt, auch Kinder und Jugendliche mit Mehrfachbehinderung zu beschulen.

Hang probiert das Memory im Matheunterricht
Hang probiert das Memory im Matheunterricht
Lehrerinnen stellen Lernmaterial her
Lehrerinnen stellen Lernmaterial her

Unser neues Kollegium ist trotz der unterschiedlichen Berufsausbildungen - von der Krankenschwester bis zur Sonderschullehrerin - inzwischen gut zusammen gewachsen. Auf unserem ersten einwöchigen Lehrerinnen-Training haben junge und erfahrene Lehrerinnen gemeinsam neue Möglichkeiten des Unterrichtens kennen gelernt und ausprobiert. Die Lehrerinnen kennen selbst nur ein Lernen im Gleichschritt, das wenig Individualität und Kreativität erlaubt. Aber sie haben sich begeistert auf die verschiedensten Möglichkeiten aktiven und schülerInnenzentrierten Lernens eingelassen. Denn: sie sollten alles an sich ausprobieren, was sie später in ihrem eigenen Unterricht anwenden.

Die Begleitung der Lehrerinnen im Schulalltag macht mir besonderen Spaß: beim gemeinsamen Planen, Herstellen und Erproben von Lernmaterialien, beim Team-Teaching und der Reflexion lernen wir alle voneinander und freuen uns über den kleinsten Erfolg: “schwierige” Kinder laufen nicht mehr aus dem Raum, sondern setzen sich neugierig in den Kreis, weil es plötzlich Interessantes zu sehen und zu tun gibt.

Die Einschätzung von Kindern, die man lange Zeit für lernunfähig hielt, verändert sich: jedes Kind kann lernen. Die Lehrerinnen trauen sich, vom viel zu anspruchsvollen Grundschullehrplan abzuweichen und nach Themen zu suchen, die für ihre Schülerinnen und Schüler bedeutsam sind: in einer Klasse ist es das Thema “Tiere bei mir zu Hause”, in einer anderen “Ich wasche mich selbst”.

Wie unsere Lehrerinnen im “Dorf” macht sich auch Vietnams Schulpolitik und -system gerade auf den Weg. Auf nationaler Ebene sollen schülerzentrierte Methoden eingeführt, das Curriculum grundlegend entrümpelt und Möglichkeiten für die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung entwickelt werden. So hoffen wir, dass wir Kontakte zu anderen Schulen aufbauen können, um Erfahrungen und Kenntnisse auszutauschen und weiterzugeben. Die Kooperation mit einem Zentrum, an dem meine DED-Kollegin arbeitet, hat schon vielversprechend begonnen: gemeinsam haben wir das Programm für unser nächstes Training vorbereitet und werden dazu mit allen Lehrerinnen für eine Woche nach Vinh fahren. Dabei lernen wir nicht nur das dortige Sonderschulzentrum kennen, sondern können auch Erfahrungen austauschen und Kontakte aufbauen. Dass uns eine Lehrerin für gehörlose Kinder und Jugendliche im nächsten Jahr besuchen wird, um einen Gebärdenkurs für Lehrerinnen und Hausmütter zu geben, steht jetzt schon fest. Die Leitung des “Dorfes” hat eingewilligt, den Lehrerinnen mehr Mitbestimmungs- und Gestaltungsmöglichkeiten zu geben, wir haben einen Schulhaushalt, den wir selbst verwalten und treffen uns einmal im Monat, um Wichtiges zu besprechen. Und: wir bekommen (neue) Schulmöbel! Unsere Schule wird endlich zu einem Ort, in dem wir nicht mehr nur improvisieren, sondern uns eine kinder- und lehrerinnenfreundliche Umgebung einrichten dürfen.