Das Dorf der Freundschaft ist ein internationales Versöhnungsprojekt. Es wurde durch den ehemaligen US-Soldaten George Mizo initiiert. Es bietet Menschen, die unter den Spätfolgen des Vietnamkrieges leiden – geistig und körperlich behinderten Kindern und Jugendlichen sowie Älteren – Hilfe und Unterstützung.

 

 

An einem Tag Im Januar 2000


"Es ist gerade Pause". Fast entschuldigend wird mir erklärt, warum die Kinder im Hof herumspringen. Einige sind schon wieder oder noch im "Klassenzimmer". Zwei provisorische Klassen wurden im "Dorf der Freundschaft" eingerichtet, in einem Haus, das eigentlich als Wohnhaus dienen könnte, wenn das neue Mehrzweckhaus, das mit französischer Finanzhilfe gebaut wird, schon fertig wäre. Zwei Räume mit alten Holzschulbänken, einem Tisch für die Lehrerin und einer Tafel sind nun Schule für die Kinder, die durch ihre verschiedenartigen Behinderungen nicht die Regelschule im Nachbardorf besuchen können. Sonder- oder Förderschulen gibt es in Vietnam nur für Blinde. Eine große Trommel wird geschlagen, um das Ende der Pause für alle hörbar zu machen. Die meisten kommen schnell zurück, einige müssen extra geholt werden. Manche schreiben schon eifrig in ihre Hefte oder versuchen zu lesen, was an der Tafel steht. Einer kritzelt mit einem winzigen Kreidestückchen auf eine matte Tafel, die vor ihm auf dem Tisch liegt. Sein Nachbar beobachtet ihn dabei. Zwei Lehrerinnen kommen ehrenamtlich ins „Dorf“, um die Kinder zu unterrichten. Die Arbeitsbedingungen und Ausstattung sind sehr einfach. Die Atmosphäre ist herzlich und liebevoll, wie überhaupt im ganzen „Dorf“. Ein paar Kinder und Jugendliche gehen nicht zur Schule. Sie halten sich in der Zeit bei den Veteranen auf, die im Nachbarhaus fernsehen und Brettspiele spielen. Jeder achtet auf jeden, auch ohne die Sprache zu verstehen, ist dies für mich spürbar.
Brigitte Müller und Ha, eine der Mitarbeiterinnen des DorfesViele Menschen im „Dorf” werden physiotherapeutisch behandelt. Auch in diesem Bereich arbeiten Freiwillige, die die Massagen ausführen.

Es hat sich viel getan im "Dorf" seit der Einweihung im Mai 98. Während meines dreimonatigen Aufenthalts in Vietnam war ich viermal zu Besuch im "Dorf". Und jedes Mal gab es Neues: der große Heilpflanzengarten, Pilzzucht in Plastiktüten in der Garage, Bananen, innerhalb von drei Wochen wurde aus einem Abwassergraben hinter Wohnhäusern ein neuer Fischteich, die Biogasanlage wurde fertig gestellt. Immer wieder stellte ich fest, wie sehr unsere vietnamesischen Partner bemüht sind, auch in Vietnam nach Unterstützung zu suchen und Ideen zu verwirklichen, um das Dorf mehr und mehr selbst versorgen zu können. Pro Person und Monat werden etwa 70 DM für Lebensmittel, Kleidung und Medikamente benötigt. Pro Kind zahlt die vietnamesische Regierung einen Zuschuss von ca. 12 DM pro Monat. Nicht alle MitarbeiterInnen werden bezahlt, einige stellen Ihre Arbeitskraft unentgeltlich zur Verfügung.

Jedes Mal ist es eine Freude für mich zu sehen, wie sich das "Dorf" und die darin lebenden Kinder entwickeln und wie sinnvoll unsere Spendengelder eingesetzt werden. Die Kinder und Jugendlichen strahlen trotz ihrer Krankheiten und Behinderungen eine ansteckende Fröhlichkeit und Lebensfreude aus, was nicht zuletzt auf die liebevolle Pflege durch die MitarbeiterInnen zurück zu führen ist, die unter einfachsten Bedingungen und großem persönlichem Einsatz im "Dorf der Freundschaft" arbeiten.

Brigitte Müller