Das Dorf der Freundschaft ist ein internationales Versöhnungsprojekt. Es wurde durch den ehemaligen US-Soldaten George Mizo initiiert. Es bietet Menschen, die unter den Spätfolgen des Vietnamkrieges leiden – geistig und körperlich behinderten Kindern und Jugendlichen sowie Älteren – Hilfe und Unterstützung.

 

Vis-à-vis: Auf einen Chantré mit Papas Feind

Okay, zugegeben, die Überschrift ist etwas überspitzt. Aber wenn man mal so drüber nachdenkt, ist es eigentlich genau so. Nur mit dem Unterschied, dass besagter Feind heute ein guter Freund ist. Trinh hat damals gegen meinen Vater gekämpft. Er hat sein Land verteidigt, ist für seine Werte eingestanden und hätte ihn vermutlich ohne zu zögern getötet, wenn er vor ihm gestanden wäre. Und jetzt sitzen wir hier, trinken Tee und eben Chantré und schauen uns Fotos an: von ihm und meinem Dad, von mir als kleinem Kind in seinen Armen. Familienfotos mit ihm als Teil davon.

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Trinh (86 Jahre) ist ein wahrlich beeindruckender Mann. Schon in früher Jugend hat er im französischen Indochinakrieg gekämpft, später gegen die Amerikaner. Er hat in seinem Leben viel bewegt, hat seither viel für den Frieden auf der Welt und im eigenen Land getan. Was mir jedes Mal bei Vietnambesuchen aufs Neue durch den Kopf geht, ist die Tatsache, wie "einfach" Menschlichkeit sein kann. Trinh unterscheidet klar, was im Krieg war und was heute ist - wie fast alle vietnamesischen Kriegsveteranen. Wenn die Vietnamesen erzählen, war es für sie immer der Feind im politischen Sinne, nie aber der Mensch selbst. Wenn ich alte Vietnamesen frage, ob sie nicht manchmal noch einen Groll gegen die Amerikaner haben, kommt immer eine Antwort in der Art: "Ach, das war damals. Das ist doch längst vorbei". In Zeiten von blindem Terror, fliehenden Menschen und sehr fragwürdigen Alternativen für Deutschland sollte sich jeder einmal diese Menschlichkeit durch den Kopf gehen lassen. Sich fragen, was das eigentlich für ein Mensch ist, der da vor einem steht. Und nicht, woher er kommt, was er für eine Hautfarbe hat oder welche Politik seine Regierung verfolgt. Trinh ist stolz auf sein Leben; im Wohnzimmer hängen Bilder von ihm in Uniform, gespickt mit unzähligen Medaillen und Auszeichnungen. Seine wahre Größe ist aber die Tatsache, dass er in seinem Wohnzimmer sitzt und Tee mit den Menschen trinkt, die ihm wichtig sind, unabhängig von ihrer Geschichte und der Vergangenheit. Einfach weil er sie mag.

Michael Mizo